Folke Köbberling

Rohwolle eine der völlig unterschätzten Ressourcen

 

Schurwolle ist ein Naturprodukt, das wir Menschen seit Jahrtausenden zu nutzen wussten. Im 21. Jahrhundert wird das Schaf in Deutschland zur Landschaftspflege genutzt und auf Äckern und Deichen gegen Erosionen eingesetzt. Heute wie damals produziert das Tier Wolle, sodass es einmal im Jahr geschoren werden muss. Früher war eine Schur monetär gewinnbringend und war ein großer Einkommensanteil der Schäfer. Doch inzwischen hat sich viel verändert. Die heimische Wolle ist zu grob und rau für die Anforderungen der Textilindustrie. Die Infrastruktur zur Verarbeitung der Wolle, die erst gewaschen, dann gekämmt und gesponnen wird, ist aus Europa verschwunden. Die Kleidung, die wir hier in den Geschäften kaufen können, besteht aus australischer, neuseeländischer oder südafrikanischer Schafwolle, welche in Südostasien verarbeitet wird. Das Ergebnis ist ein sinkender Wollkilopreis in Deutschland.
Eine Schur Wolle wiegt ca. 4-5 kg. Die Schurkosten pro Tier liegen bei etwa 3-4 €. Aber auf dem Markt liegt der Wollerlass pro Kilo bei 10-40 Cent. Hinzu kommt, dass die Wolle wenn sie entsorgt wird als Sondermüll gilt und ihre Entsorgung weitere Kosten verursacht. Nach dem Tierschutzkadavergesetz muss Wolle heutzutage entsorgt werden.
Die Frage lautet also: Was können wir tun um diesem wertvollem Rohstoff wieder ein Nutzen zu geben? Daher ist die Rohwolle aus künstlerischer, gestalterischer und auch aus architektonischer Sicht ein spannendes Forschungsfeld, das nicht nur wissenschaftlich betrachtet gehört, sondern auch ästhetisch.
Seit mehreren Jahren beschäftigte ich mich mit dem Rohstoff Rohwolle, einem Material – das dämmt, akustisch filtert, duftet, fettet, heilt, wärmt und isoliert – um neue Wege zu entwickeln, dieses wunderbare Material einem neuen Nutzen zu geben. Durch die Zugabe von Erdaushub werden skulpturale, konstruktive, akustische und dämmende Möglichkeiten untersucht.
Eine Möglichkeit ist die Herstellung von Schallschutzwänden aus Schafwolle. Eine Weiterverwendung als Absorbermaterial ermöglicht eine Alternative, da bisher synthetische Stoffe dort eingesetzt werden. Die Schallschutzwände, die entlang von Bahnstrecken führen, sind mit synthetischen Materialien gefüllt und leicht durch Schafwolle zu ersetzen. Schafwolle hat den Vorteil, dass es kompostierbar, unbehandelt und ein Habitat für Insekten sein kann. Die Struktur in den Uferhallen besteht aus Schallschutzwänden, die im Nachhinein auf dem Tempelhofer Feld aufgestellt werden und aus Forschungsergebnissen des Instituts für Architekturbezogener Kunst TU Braunschweig. Gleichzeitig ist es ein Raum, der zum Verweilen einlädt.

Folke Köbberling – Workshop Rohwolle