Hermann Finsterlin (1887–1973) war ein in vielerlei Hinsicht gescheiterter Lebenskünstler. Sein umfangreiches Schaffen weist ihn als originellen, jedoch wenig glückvollen deutschen Maler, Grafiker, Musiker, Dichter und Philosophen aus. Niemals hat er etwas gebaut; erhalten sind dennoch unzählige expressionistische Architekturzeichnungen aus seiner Hand. Seine utopischen Entwürfe stammen aus den Jahren 1919 | 20, als er (unter dem Pseudonym Prometh) in regem Briefwechsel mit den Mitgliedern der Künstlergemeinschaft um Bruno Taut stand, welche sich Gläserne Kette nannte und deren Ziel darin bestand, eine fantasievolle Architektur hervorzubringen, eine Stätte des Friedens, welche das Licht des Kosmos einfangen und verstreuen sollte; nur dann, wenn man die Architektur verändert und Gebäude aus durchsichtigem sowie farbigem Glas schafft – so die Überzeugung der Gläsernen Kette – kann die Menschheit eine höhere kulturelle Stufe erreichen. Die organischen Formen in Finsterlins Skizze erinnern an wuchernde Klumpen einfacher Lebewesen wie Bakterien, Pilze oder Algen. Mit seinem Haus der Atlantiden (1919) knüpft er an jenen berühmten, vom griechischen Philosophen Platon überlieferten Mythos an. In den Spätdialogen Timaios und Kritias wird von einer glücklichen, fruchtbaren Insel berichtet, deren Bewohner zunächst im Einklang mit den Göttern lebten, eine hohe Zivilisation entwickelten und schließlich, nach der Entstehung von Gier und Eroberungslust, von einer gewaltigen Naturkatastrophe getroffen wurden.
Der in Deutschland lebende Argentinier Miguel Rothschild erzählt jene Geschichte vom idealen, in der Tiefe des Meeres verschwundenen Inselreich, welche die Fantasie des Abendlandes immer weiter heimsucht, neu. Gebaut aus Plastikmineralwasserflaschen lädt Rothschilds Konstruktion den Besucher der Ausstellung zur nachahmung empfohlen ! dazu ein, einzutreten und auf dem Boden von Atlantis Platz zu nehmen, der mosaikartig aus bunten Plastikdeckeln zusammengesetzt wurde. Zum Atlantiden soll er werden, verweilen, die Bücherschätze aus der kleinen Bibliothek in die Hand nehmen, sich von der Bilderflut treiben lassen, sich in Träume und Visionen über Nachhaltigkeit vertiefen.
Text: María Cecilia Barbetta