FÄN – Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit – legt den Grundstein!

So. 16.07.2023 | 12-24 Uhr

Grundsteine eines Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit – FÄN

Als symbolischer Grundstock für ein erstes Pilotprojekt des FÄN soll der Erlös aus dem Verkauf von Werken aus der Ausstellung dienen, die von den Künstler:innen für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Annähernd die Hälfte der ausgestellten Werke können am 16. Juli 2023 am Abend der Finissage erworben werden.

Noch bis zum 16. Juli 2023 ist die internationale Wanderausstellung ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN! ZNE! in den Uferhallen in Berlin-Wedding zu sehen. Seit 2010, als die Ausstellung in Berlin ihren Anfang nahm, ist sie international gereist, wurde verändert, erweitert und aktualisiert. Aktuell zeigt sie 82 der insgesamt 139 künstlerischen Positionen zu großen ökologischen Fragen unserer Zeit – im Zusammenwirken von Kunst, Wissenschaft und Erfindungen. Dreizehn Jahre lang haben Künstler:innen aus aller Welt mit ihren Werken in der Ausstellung zur Debatte um Ästhetik und Nachhaltigkeit beigetragen, begleitet von Impulsen aus der Wissenschaft. Diese zukunftsorientierte und erkenntnisreiche Kooperation soll konsolidiert werden durch den Aufbau eines neuen Förderinstruments, den Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit (FÄN). Es ist hohe Zeit zu Handeln.

Die Verschränkung von wissenschaftlicher und künstlerischer Forschung war für die Kuratorin Adrienne Goehler Beweggrund, das Konzept des Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit zu entwickeln. Grundlegend war hier die Erkenntnis, dass die aktuellen Förderinstrumente keine disziplinenübergreifende Forschung ermöglichen und die innovative Wirkkraft der Künste dadurch massiv einschränken. Goehler konzipierte die Ausstellung ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN!, um einen Einblick zu geben, wie Verflüssigung und Verflechtungen der Disziplinen sinnliche Erkenntnis ermöglichen. Mittlerweile fordern 195 Protagonist:innen aus Kunst und Wissenschaft solch ein transdisziplinäres Förderinstrument.

Am 6. Juni diskutierten im Rahmen der Ausstellung in Berlin die Regisseurin und Konzepterin Anne Schneider, die Juristin und bildende Künstlerin Dr. Christine Fuchs, der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft Dr. Tobias Knoblich und die Wissenschaftlerin und Künstlerin Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer die Notwendigkeit und Umsetzbarkeit eines FÄNs.

Vera Meyer stellte anhand ihrer eigenen Forschungsarbeit dar, wie sich die Innovationskraft ihrer Kunst entfalten konnte, als sie diese mit ihrer Forschung an pilzlichen Stoffwechselpotentialen zusammenführte und darüber völlig neue Erkenntnisse gewann. Sie leitet seit 2011 den Lehrstuhl für Molekulare und Angewandte Mikrobiologie an der TU Berlin. Ihre inter- und transdisziplinären Forschungsvorhaben verbinden mittlerweile Natur- und Ingenieurswissenschaften mit Kunst, Design und Architektur und entwerfen biobasierte Szenarien für mögliche Lebens- und Wohnwelten der Zukunft. Sie betonte, dass es aufgrund der Komplexität der aktuellen Geschehnisse vor allem wichtig sei, von einem „Ich“ zu einem „Wir“ zu kommen. Weil niemand diese Welt mehr alleine verstehen könne, sei es wichtig, möglichst viele Menschen mit verschiedenen Perspektiven zusammenzuführen. Komplexe theoretische Zusammenhänge müssen erfahrbar und somit verständlich gemacht werden. „Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind nur durch Kunst zu durchdringen“, so Vera Meyer.

Aufbauend auf ihrer Dissertation mit dem Titel „Avantgarde und Erweiterter Kunstbegriff – Eine Aktualisierung des Kunst- und Werkbegriffs im Verfassungs- und Urheberecht“ beschrieb Dr. Christine Fuchs in Deutschland eine sehr strikte bis beschränkte Auslegung von Kunstfreiheit und -zweck. Aufgrund der historisch erlebten Vereinnahmung und Reglementierung der Künste werden hier potentielle Wirkmöglichkeiten von Kunst häufig als Bedrohung für die Kunstfreiheit interpretiert. Sie plädiert für eine Erweiterung der Kunstfreiheit, um solche Impulse aufgreifen und sie mit anderen Bereichen zusammenbringen zu können, damit aus Kunst Realität werden könne

Dr. Tobias Knoblich betonte, dass es Aufgabe der Kulturpolitik sei, Grundlagen dafür zu schaffen, dass eben dieses Potential sich auch entfalten könne, indem die Ressourcen zusätzlich zu bestehenden Instrumenten zur Verfügung gestellt werden. Künstler:innen, deren Arbeit sich durch horizontale Verbindungslinien zwischen den Disziplinen auszeichnet, sollen so in die Lage versetzt werden, entsprechend agieren zu können. Er hob hervor, dass aus kulturpolitischer Perspektive keine schlüssigen Argumente gegen einen FÄN sprächen. Das immense Potential der Ästhetik als Moment der sinnlichen Erkenntnis müsse verstärkt in den Fokus genommen werden. Die Kulturpolitische Gesellschaft könne hier ansetzen.

Um bestehende Zuständigkeitsschranken zu überwinden, sammelten sich Stimmen, die sich für sogenannte Verknüpfer:innen aussprachen, die den Austausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Kunst intensivieren sollen. Im Idealfall würde bereits die Struktur und Finanzierung des Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit die Pluralität abbilden, die durch ihn ermöglicht werden soll. Mittel für den FÄN sollten idealerweise nicht allein aus dem Kulturressort kommen, sondern anteilig aus den Ressorts Umwelt, Kultur, Wissenschaft und Forschung.

Als erstes Pilotprojekt des FÄN sollen Prototypen für Häuser aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt werden – sowie Workshops konzipiert werden, die zum Eigenbau in der Ukraine und den Erdbebengebieten in Syrien und der Türkei anleiten. Im Juni wurden in Workshops zwischen Künstler:innen und Wissenschaftler:innen bereits neue Verbindungen zwischen ökologischen Baustoffen wie Schafwolle, Pilzmyzel, Hanf, Lehm und Rinde erforscht und weiterentwickelt. Es eröffnen sich ungeahnte Potentiale für eine nachhaltige Bauwirtschaft – nicht zuletzt beim Wiederaufbau in Kriegs- und Katastrophengebieten. Die konventionelle Bauindustrie hat einen Anteil von 40 Prozent am Klimadesaster; ohne einen Wandel dieses Sektors durch Kreislaufwirtschaft und nachwachsende Baustoffe wird eine nachhaltige Zukunft nicht möglich sein.

Unter www.fonds-aesthetik-und-nachhaltigkeit.de finden sich ausführliche Gedanken und 195 Plädoyers von Unterstützer:innen aus Kunst, Wissenschaft und dem Dazwischen.

Weitere Informationen
www.z-n-e.info
www.fonds-aesthetik-und-nachhaltigkeit.de

Pressekontakt
Denhart v. Harling, segeband.pr, dh@segeband.de, +49 179 4963497