Vera Meyer |
V. meer
Pilztransformation
Skulpturen – Fotos Martin Weinhold
Es gibt zwei Orte, an denen Vera Meyer sicher anzutreffen ist: am Institut für Biotechnologie der Technischen Universität Berlin, wo sie als Professorin für Molekulare und Angewandte Mikrobiologie arbeitet, und an einem Brandenburger Waldrand, wo sie ihr Atelier hat und zur Künstlerin V. meer wird. Zwei Leidenschaften, die anfangs eher getrennte Welten bedeuteten, sich aber thematisch dicht verwoben haben.
Der Forschungsschwerpunkt von Vera Meyer – Pilzbiotechnologie – spielt dabei eine Schlüsselrolle. Von der Erhabenheit zellulärer Strukturen des Schimmelpilzes Aspergillus niger unter dem Mikroskop kommt V. meer auf die Grazie und Eleganz eines Schirmpilzes, die Formen von Baumpilzen erinnern sie an Köpfe. Fasziniert nimmt sie von Wespen ausgefressene Birnen und Äpfel wahr, verliebt sich in den blühenden Rost eines weggeworfenen Zahnrads. Nichts erscheint ihr unnütz, kein Ding verloren. Geradezu besessen treibt es die Künstlerin in den Wald, denn ihr Material wächst an Bäumen, verrottet am Boden, liegt in alten Schuppen. Dem Zusammen-Gefundenen einen neuen Ausdruck geben, das ist ihre Mission. So widmet sich V. meer dem Schaffen von Skulpturen und kombiniert dafür biologisches Material mit Eisen, Gold und Kupferlösung. Sie findet den Punkt, an dem sich ihre Kunst mit ihrer Forschung trifft: beides verleiht dem Königreich der Pilze (Funga) neue Sichtbarkeit – als Skulptur im öffentlichen Raum oder als entschlüsseltes Genom durch systembiologische OMICs-Daten. ARTOMICS ist die Bezeichnung, die sie sich für diese Art Werke ausdenkt, vielleicht bald auch der Fachbegriff für eine neue Kunstgattung?
V. meers Objekte scheinen von Goethes Zauberlehrling zum Leben als Subjekte erweckt, aber man wünscht sie nicht still zurück in die Ecke, weil sie Blick und Phantasie bereichern und gerne unter uns bleiben sollen. Ihre Skulpturen aus Pilzen, Holz, Knochen, Flechten, Fallobst, Eisenschrott und Bauteilen von Bioreaktoren könnten Märchenreiche oder andere Planeten bevölkern. Der philosophische Ton in ihnen ist spürbar: nichts verschwindet in der Natur, alles ist Transformation.