›Das Ausstellen bei Andreas Wegner
Auf den ersten Blick kann man Andreas Wegners Arbeiten seit Beginn der 1990er Jahre in den Kontext einer Kunst einordnen, die sich mit zeitgemäßen gesellschaftlichen Fragen beschäftigt, wie der nach alternativen ökonomischen Modellen. Klammert man diese Bedeutungsebene aus, geht es ihm darüber hinaus und mit gleicher Intensität um eine zentrale kunstimmanente Frage, nämlich der nach dem ›Wie?‹ des Ausstellens.
Was ist das Spannende am Ausstellen als künstlerisches Thema und wieso entwickelt sich eine künstlerische Praxis über Jahre um diesen Themenkomplex? Im letzten Jahrzehnt kulminierten in der Kunst die Fragen nach den grundlegenden Mitteln des Präsentierens. In vielen Fällen wurde das ›Display‹ zum Ausweis kritischen Bewusstseins. Selten wurde das Thema so durchdrungen und in derartig vielfältiger Weise kritisch hinterfragt wie von Andreas Wegner. Bei ihm bedeutet diese Auseinandersetzung ein Arbeiten mit und über das Ausstellen sowohl im geschützten, institutionellen Raum der Kunstinstitutionen als auch direkt an der Straße in einem Ladengeschäft, das ganz reale Produkte des Ge- und Verbrauchs zum Verkauf ausstellt. An diesen Orten des alltäglichen Ausstellens war der Begriff des Displays schon lange Teil der Arbeitssprache, bevor er im Kunstkontext die Wichtigkeit zugewiesen bekam, die er jetzt seit einigen Jahren hat. Während Wegner in den oben genannten Arbeiten im Schutzraum künstlerischer Institutionen einen forschenden Blick auf einzelne Bausteine des Ausstellens wirft, gibt es einen zweiten Bereich langfristig angelegter, komplexer Projekte bei denen er konzeptuelle Strenge, künstlerische Intendanz und Neugierde auf die Unvorhersehbarkeit eines weit in künstlerische und gesellschaftliche Bereiche verzweigten Projekts verknüpft. Diese Arbeiten, die oft über mehrere Jahre verlaufen, leben von der Einbindung von Kollegen ebenso wie von Gruppen aus anderen gesellschaftlichen Kontexten.
Fragestellungen zum Ausstellen und seinen Erscheinungsformen werden von Wegner dabei in ›Point of Sale‹ (Wien, 1998/99) und ›Le Grand Magasin‹ (Berlin, 2008/09) mit der Warenwelt direkt verknüpft und in einen soziologischen und ökonomischen Zusammenhang gestellt. Dabei gründen diese Arbeiten auf der Beschäftigung mit theoretischen Grundlagen gesellschaftlicher Ordnung. Über die Arbeiten von Charles Fourier und Alfred Sohn-Rethel macht sich Wegner auf die Suche nach beispielhaften Versuchsanordnungen sozio-ökonomischer Gebilde. In Fouriers Schriften fand er auch eine der frühesten Nennungen des Begriffs einer ›sozialen Kunst‹, deren heutige Form und Ausstellbarkeit ein Zentrum seiner Aktivitäten bildet.
Für seine Fragen nach der Nutzung von Ressourcen und den Arbeitsbedingungen hinter Produkten, die Wegner in den beiden Großprojekten thematisiert, geht es immer auch darum, wie diese beispielhaft sichtbar gemacht werden können. Dabei geht er hier das Risiko größtmöglicher Ferne zum ökonomisch weiterverwertbaren, bzw. handelbaren Kunstobjekt ein, verbunden mit einen hohem Maß an persönlichem Einsatz. Dass seine Form von Realismus sich so nahe an der Realität bewegt, ist manchen Betrachtern suspekt, was seinen Großprojekten schon einmal das Missverständnis der Monströsität eintrug. Dabei lebt seine Kunst gerade von der Kombination von subtilen Objekten, wie den Fotografien und den ›Großformaten‹, sowie der Spannbreite der künstlerischen Konzepte, die sich in den Großversuchen ohne Not dem scharfen Wind der ungeschützten öffentlichen Wahrnehmung aussetzen.
Soweit ein knapper analytischer Blick auf Wegners Arbeiten, der sich bei der hohen Präzision ihrer Umsetzung aufdrängt, aber der auch die Frage nahe legt, wie man Aspekte der Ungeschütztheit und der Freiheit angemessen beschreiben könnte, die ihm als Antriebskräfte dienen. Andreas Wegner hegt Misstrauen gegenüber dem repräsentativen Zeigen, das der Kunst wie der Gestaltung eingeschrieben ist und bringt das in seine Arbeit ein. Die genannten Untersuchungen und Modellversuche demonstrieren seinen Antrieb, grundlegende Muster von Repräsentation einer produktiven Aneignung zu unterziehen.
Brigitte Franzen, 2012